Berlin 2013
Studienreise Berlin 23.-27. September 2013
So. Anstatt immer und ewig nach Griechenland und Rom zu fahren, haben wir uns diesmal etwas Neues einfallen lassen. Wer braucht schliesslich ein Pantheon, wenn es das Alte Museum gibt? Wer einen griechischen Tempel, wenn man durch Schloss Glienicke flanieren kann? Zugegeben, das Wetter ist bei den Originalstätten besser. Aber zu sehen bietet die deutsche Hauptstadt auch für Antikeninteressierte mehr als genug.
Am Montag ging es vom Flughafen fast direkt ins Pergamonmuseum. Zuerst schauten wir uns das Museum von aussen an und bekamen sofort einen Eindruck von dem überdimensionierten Berliner Klassizismus, der antike Elemente ins Extreme monumentalisiert. Nicht einmal die Propyläen der Athener Akropolis sind so gewaltig wie die Betonsäulen des Pergamonmuseums.
Auch innen herrscht der Geist des 19. Jahrhunderts. Der Zeusaltar der kleinasiatischen Stadt Pergamon ist komplett rekonstruiert zu besichtigen. Dass der Altar in Berlin zu sehen ist, verdankt er den guten Beziehungen zwischen Preussen und dem Osmanischen Reich, zu dem Pergamon damals gehörte. Dies und mehr wurde uns von einer sympathischen Griechin mit dem schönen Namen Eftychia erklärt, die einen Teil ihres Archäologiestudiums in Basel absolviert hatte, und uns nun durch die unglaublichen Ausstellungsräume führte.
Der Pergamonaltar ist nicht das einzige Beispiel für monumentale Architektur im Museum. Auf römischer Seite gibt es das riesige Stadttor von Milet, das komplett rekonstruiert einen Eindruck von kaiserzeitlicher Repräsentationsarchitektur bietet. Noch spektakulärer erweist sich jedoch das berühmte Ischtar-Tor aus Babylon, einer antiken Mittelmeerkultur, die uns etwas ferner liegt, jedoch für die antike Welt nicht weniger bedeutend war als Rom und Griechenland (okay, weniger bedeutend natürlich schon, aber sagen wir mal: auch wichtig).
Abends gab es dann erst einmal Pizza in der Schönhauser Allee, und wir stellten fest, dass wir mit dem Rosenthaler Platz eine ganz nette Wohngegend erwischt hatten, voller Cafés und Restaurants, und in unmittelbarer Nähe von Berlin Mitte.
Am Dienstag ging das Programm erst spät los, war aber dann durchaus anspruchsvoll. Freundlicherweise hatte sich Herr Nikolaus Bernau, der Architekturkritiker der Berliner Zeitung und wieder ein Basel-Fan, bereiterklärt, uns eine Führung zum Thema Klassizismus in Berlin anzubieten, die uns vom Brandenburger Tor bis zur Weberwiese führte, leider im dauernden Nieselregen. Das machte Herrn Bernaus Ausführungen aber nicht weniger interessant, der uns die immense Bedeutung vor allem der griechischen Antike für die Architekturgeschichte klar veranschaulichte. Die unendlichen spannenden Geschichten und Details wiederzugeben, die er uns vermittelte, ist hier nicht möglich, daher nur eine knappe Übersicht: wir starteten am Brandenburger Tor, der Keimzelle des preussischen Klassizismus, der sich in Abgrenzung von dem mit Frankreich und Katholizismus assoziierten Rom ganz nach Athen orientiert. Der Pariser Platz war ursprünglich eine Ansammlung filigraner und verschiedenartiger kleiner Häuser; sein Schicksal uns vom Bau über die totale Zerstörung bis hin zum monumentalen Wiederaufbau in den 1990er Jahren wurde uns vor Ort deutlich gemacht. Unter den Linden und am Beispiel des Pergamonmuseums konnten wir die Weiterentwicklung des preussischen Klassizismus zum deutschen Nationalstil mitverfolgen, bis hin zur extremen monumentalen Formenstrenge des Nationalsozialismus (der uns ausgerechnet am sogenannten 'Haus der Schweiz' demonstriert wurde ...).
Mit hängender Zunge kamen wir schliesslich am letzten Punkt der Reise an, der ehemaligen Stalin-Allee, wo die DDR-Regierung unter ästhetischer Anleitung von Moskau eine Reihe gigantischer Prunkbauten hinsetzte, die nur mit Mühe noch als klassizistisch zu erkennen sind, sich letztlich aber auch hier aus dem üblichen Repertoire der Formensprache bedienten.
Nachdem wir den Dienstag abend in kleineren Gruppen verbracht hatten, erwarteten uns am Mittwoch eigentlich nur zwei Museen, das Alte und das Neue Museum mit ihren grossen Sammlungen ägyptischer, griechischer und römischer Kunst. Aber in Berlin sind Kunst und Geschichte nicht trennbar. So erfuhren wir bei unserer geführten Tour durch das Neue Museum nicht nur viel über ägyptische Kunst, sondern vor allem auch wieder über das Gebäude. Zwischen 1843 und 1855 errichtet, war das Museum ursprünglich eine Art Erlebnispark zum Thema Antike, unter anderem mit einem ägyptischen und einem griechischen Innenhof.
Diese Pracht wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und erst 2009 von David Chipperfield rekonstruiert. Das neue und zu Recht als architektonische Meisterleistung gerühmte Gebäude zeigt seine alten Wunden: im Griechischen Hof sieht man Einschusslöcher, die Wandfresken sind Fragmente.
Am Nachmittag besichtigten wir dann noch das Alte Museum, das erste öffentlich zugängliche Museum Deutschlands überhaupt, erbaut von dem preussischen Stararchitekten Friedrich Schinkel, dessen Name in unserer Berlin-Woche so oft fiel, dass wir allmählich den Eindruck gewannen, es gebe in ganz Berlin kein Gebäude, wo Schinkel nicht mitgemischt habe.
Hier stand nun für einmal die echte Antike im Vordergrund. Wir begegneten vor allem Etruskern und Römern, unter anderem den Herrschaften auf den Fotos.
P.S.: In den Museen führten uns wieder ein Basel-Freund, dessen Doktorvater, der Archäologe Stephan Schmid, sogar Schüler an unserer Schule war ...
Abends gab es noch eine kleine Überraschung: an der Schaubühne wurde ein Musik-Theater "Die Rückkehr des Odysseus" gespielt, für das wir spontan noch Karten bekommen hatten. Wie immer an der Schaubühne wurde viel herumgeschrien und sich nackt ausgezogen, aber es war doch ganz interessant, was mit einem fast 3000 Jahre alten Text wie der Odyssee heute noch angestellt wird.
Der Donnerstag war unser Schlössertag. In einer nervenzerfetzenden Odyssee legten wir die endlose Distanz bis fast nach Potsdam zurück (alles in Berlin ist so wahnsinnig weit weg!) und sahen und das bezaubernde Schloss Glienicke an, das Herr Schinkel für einen kunstbesessenen Preussenprinzen gebaut hatte.
Der letzte Ort der Besichtigung war am Donnerstagnachmittag der Park von Schloss Charlottenburg, wieder mit Gebäuden von Schinkel. Neben dem üppig barocken Riesenschloss sieht sein Pavillon klein und bescheiden aus; und in der klassizistischen Schlichtheit erkennt man schon die einfachen und strengen Formen der modernen Bauhaus-Architektur.