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Stärkung der politischen Bildung

Trotz der unzähligen Vorteile der Demokratie hat diese immer wieder mit einigen Problemen zu kämpfen. Von der Demokratie kann nur derjenige optimal profitieren, der Bescheid weiss.

Sehr oft werden nach Volksabstimmungen Stimmen laut, die mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind und sich beklagen, dass die ältere Generation die jüngere überstimmt hat. Dies war bei der Masseneinwanderungsinitiative in der Schweiz und bei der Brexit-Abstimmung in Grossbritannien der Fall, um nur zwei bekannte Beispiele zu nennen. Junge Menschen überlassen die Entscheidungen über ihre eigene Zukunft mehrheitlich anderen - sei dies bewusst oder unbewusst. Gemäss einer Studie des Politologen und Professors an der Universität Lausanne, Georg Lutz, ist die Mehrheit der Abstimmenden in der Schweiz meist über 55 Jahre alt. In einer Studie des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente (DSJ) gaben 51% der Teilnehmer zwischen 15-21 Jahren zu, nicht wirklich zu verstehen, was Politiker sagen.

Ein weiterer entscheidender Faktor bei Abstimmungen und Wahlen können diejenigen sein, die sich zum ersten Mal politisch beteiligen. Der vor zwei Jahren noch absolut unvorstellbare Erfolg von Präsidentschaftskandidat und Beispielpopulist Donald Trump in den Vereinigten Staaten, aber auch die unerwartet klare Ablehnung der Durchsetzungsinitiative der SVP, die das Resultat einer massiven Mobilisierung der Gegner der unverhältnismässigen Initiative war, sind perfekte Beispiele dafür.

Andere profitieren gar nicht von ihrem Stimm- und Wahlrecht. Keine Lust. Keine Zeit. Keine Ahnung.

Was ist aber die Ursache dafür, dass viele oft gar nicht abstimmen und wählen gehen? Wie reüssieren wir, dass mehr Leute den Weg zur Urne finden - vor allem Junge?

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Die Schweiz ist, was das politische System anbelangt, weltweit eine Ausnahme; wir leben in einer halbdirekten Demokratie und sind daher wohl die 'radikalsten Demokraten' der Welt. Eine einzelne Privatperson kann ein beliebiges Anliegen - die wenigen Restriktionen, die existieren, sind die kleinste Hürde - zu einem der meist debattierten politischen Themen machen und bei Erfolg bei der Abstimmung dieses auch umsetzen. Alles, was diese Person dafür benötigt, sind (auf nationaler Ebene) 100'000 gültige Unterschriften von stimmberechtigten SchweizerInnen.

Dieses 'radikal-demokratische' System hat jedoch klare Regeln, welche man zwingend kennen sollte, um seine Rechten optimal nutzen zu können. Die politische Bildung in der Schule sollte der Schülerschaft, welche das künftige 'Volk', von dem häufig Politiker sprechen, darstellt, diese Regeln näherbringen. Von diesen jungen Menschen kann nicht erwartet werden, dass sie auf Anhieb den Aufbau des Staates, die Gewaltenteilung, die Funktionsweise der Bundesversammlung, etc. verstehen. Vielmehr sollte die Schule der Ort sein, an dem man sich an das politische System 'herantastet', die grundlegenden Zusammenhänge anfängt zu verstehen und sich beginnt für das aktuelle politische Geschehen zu interessieren. Wenn dies der Fall ist, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Anzahl der Beteiligten an Abstimmungen und Wahlen erhöht.

Die politische Bildung sollte bewirken, dass man die Hintergründe und die Basics dieses Systems kennenlernt, um vom gewährleisteten Mitspracherecht optimal Gebrauch machen zu können. Diese ist im neuen Lehrplan 21 jedoch lediglich als überfachliches Thema definiert. Es ist also jeder Lehrkraft selbst überlassen, die politische Bildung in den Unterricht zu integrieren oder nicht. Einige Lehrkräfte legen einen grossen Wert auf dieses Thema, was sehr begrüssenswert ist, andere jedoch leider weniger. Das Problem der Regelung im Lehrplan 21 ist, dass es durchaus möglich ist, dass jemandem, der diesbezüglich die 'falschen' Lehrer zugeteilt bekommt, am Ende der Schulzeit ein Grundwissen bezüglich des politischen Systems fehlt. 

Lange genug haben wir, die Jungfreisinnigen Basel-Stadt, versucht, dem Erziehungsdepartement mittels Briefen, Aktionen etc. klarzumachen, wie wichtig die politische Bildung ist und dass die Definition als überfachliches Thema eine halbherzige und inadäquate Lösung darstellt. Oft wurden wir gar nicht beachtet und wenn dies ausnahmsweise geschehen ist, hiess es, der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann werde sich bei der Gestaltung des neuen Lehrplans persönlich für die politische Bildung einsetzen. Das Resultat ist allerdings keineswegs das, was uns am Herzen liegt und was wir forderten (und fordern). Das Thema Politik wird weiterhin marginalisiert und ist auch im neuen Lehrplan keinem Schulfach zugeordnet.

Nun ist Schluss mit Warten.

Im Januar 2016 lancierten wir unsere Initiative 'zur Stärkung der politischen Bildung' (JA zu einem Fach Politik).

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Was wir fordern ist simpel und unmissverständlich: Ein obligatorisches Schulfach 'Politik', das jeder Schüler in der obligatorischen Schulzeit während mindestens einem Jahr, eine Lektion pro Woche besucht. Die politische Bildung wird ansonsten von den Lehrkräften hin und her geschoben und es ist möglich, dass dieses essentielle Thema am Ende ausgelassen wird.

Neben den politischen Grundlagen soll dieses neue Schulfach jedoch auch  aktuelle Themen beinhalten, Junge (oder auch erfahrenere) Politikerinnen und Politiker sollen für Podiumsdiskussionen eingeladen werden, im Schulzimmer soll klassenintern über aktuelle Themen und Abstimmungsvorlagen debattiert werden - ich bin überzeugt, dass viele dieser Diskussionen nach Ende der Schulstunde weitergeführt werden. Oft habe ich in der Schule selbst diese Erfahrung gemacht; sehr viele derjenigen, die nach eigenen Angaben Politik extrem langweilig fanden, gehörten schlussendlich zu den lautesten und aktivsten Diskussionsteilnehmern als es um das Burka-Verbot, die Masseneinwanderungsinitiative, die Cannabis-Legalisierung oder andere brisante, für die Jugend interessante Themen ging. Viele Jugendliche interessieren sich nämlich sehr für politische Themen, es ist ihnen aber aufgrund des negativ konnotierten und trocken klingenden Begriffs 'Politik' oft (noch) nicht bewusst. Gerade deshalb muss man sie abholen, ihr politisches Interesse wecken, sie ihre eigene Meinung bilden und diese dann beispielsweise auch im Rahmen von Klassendiskussionen vertreten lassen. Wenn das Interesse ansatzweise vorhanden ist, erscheint es auch nicht mehr so langweilig, etwas über die Basics unseres politischen Systems zu erfahren und schon hat man eine wunderbare Basis für eine politisch interessierte und aktive Generation geschaffen.

Die Demokratie ist die Herrschaft des Volkes und setzt deshalb informierte und partizipationsfreudige Bürgerinnen und Bürger voraus.

Bemühen wir uns, unser bewährtes demokratisches System zu stärken, indem wir die Jugend über politische Grundlagen informieren und sie motivieren, sich zu interessieren und zu engagieren.

Unterschreiben Sie heute noch unsere Initiative zur Stärkung der politischen Bildung - JA zu einem Fach Politik!

David Pavlu
Matur 2015 am Gymnasium am Münsterplatz, Studium der Rechte an der Universität Basel, Mitglied der Jungfreisinnigen Basel-Stadt und des Initiativkomitees „Stärkung der politischen Bildung – JA zu einem Fach Politik“

Quelle: Rundbrief November 2016 der Schweizerischen Helsinki Vereinigung (SHV)
Website: www.shv-ch.org